Johnny+Cash:+"Hurt" 2/2

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Wie gerne würde Sabine den armen Tropf trösten, aber was soll die gute Frau machen, wenn sie selber einen Hals hat? Man kann ihn zwar unter dem muckeligen, blau-weißen Schal nur schwer erkennen, aber er ist da und wird immer dicker. Es ist 30 Grad im Dachgeschoß und Sabine sitzt mit ihrem Hals und zwei Idioten vor dem Fernseher. Auf der Mattscheibe schlagen justament drei Recken beim Versuch den Ball zu treffen Luftlöcher in der Größe eines Hellmich-Neubaus, bis die Kugel dem vierten Recken an den Hinterkopf prallt und von da aus unserem sogenannten "Verteidiger" ins Gehänge fliegt. Der Mann kippt um. Es hat sich offensichtlich ausverteidigt. Fünf Spieler der anderen Mannschaft stehen frei daneben und versuchen dabei ernst zu bleiben. Einer von ihnen pustet den Ball ins Tor. Murmeltiertag. Sabine, die in den letzten acht Monaten ihres Lebens geschätzte zweieinhalbtausend Minuten Zeit hatte, sich an derartige Humoresken zu gewöhnen, schielt zur Wodkaflasche. Ihr rauschmittelfreier Nachmittag ist einer gewissen Unzufriedenheit gewichen. Sie sagt "so eine Scheiße", weil sie eine Dame ist, denn die anderen Sachen, die ihre Blicke sagen, kann man gar nicht schreiben. Die Katze Bernd kommt herein, schaut kurz auf den Bildschirm und schüttelt den Kopf. Unsere Luftwaffe grätscht gerade eine Eckfahne um. Die Stimmung vor dem Fernsehapparat eskaliert. "So eine Scheiße! So eine Scheiße! So eine Scheiße!" Der einzige, der relativ gefühlskalt, da inzwischen abgestorben, der erbärmlichen Zirkusnummer die Stirn bietet, bin ich. Vielleicht, weil wir nur eine begrenzte Zeit auf diesem Planeten verbringen und es mir wichtiger ist, daß wir die Erde unseren Kindern so übergeben, wie wir sie einst vorgefunden haben, mit Ausnahme Tibets natürlich, weil ich mir eine verantwortungsbewußte, menschenfreundliche Klimapolitik wünsche und diese Kolumne auch dazu nutzen möchte, eine Debatte abseits der Parlamente anzuregen, weil Rohstoffe einen immer größer werdenden Stellenwert in dem Verhältnis der ersten zur dritten Welt einnehmen und weil die Exportmacht China natürlich Auswirkungen auf die einheimische Wirtschaft hat, wahrscheinlich aber eher aus dem Grund, weil ich als einziger im Raum überhaupt eine nennenswerte Stirn besitze. Als Mann des Friedens versuche ich, dem Gekicke der eigenen Mannschaft positive Aspekte abzugewinnen und sage "schön", wenn ein Paß über vier Meter den eigenen Mitspieler erreicht, also ungefähr einmal pro Spiel. Wesentlich häufiger sage ich allerdings "so eine Scheiße" oder "das kann doch nicht wahr sein", weil auch Frieden seine Grenzen hat. Und zwar die des eigenen Sechzehnmeterraums. Und so kam es, wie es kommen mußte. Mitte Mai ist unser Club abgestiegen. Okay, das wird unser Leben völlig verändern. Wahrscheinlich zum Guten. Oder glauben Sie im Ernst, wir würden uns mit zweitklassigen Wochenenden zufrieden geben?.

Mehr vom Tom Tonk gibt es auf hier OpenPunk oder auf seiner Seite: http://www.rockraketetonk.de