Peter die Primel

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Peter, meine Primel, steht auf dem Couchtisch und darf heute fernsehen. Ich hatte sie etwas vernachlässigt, will sagen, nicht gegossen und nun ließ sie die Blätter und das Köpfchen hängen und ich hatte ein schlechtes Gewissen. Sie müssen wissen, dass ich, in Sachen Pflanzen, zum versehentlichen Serienmörder geworden bin, was mich nicht gerade stolz in die Vergangenheit blicken lässt. Mit einem Küchenschwamm habe ich ihre Blätter vom Staub befreit, ihr etwas Wasser gegeben und mit ihr geredet. Ich hab ihr gut zugeredet und mir gedacht, dass das ständige Anglotzen der weißen Wand für so eine kleine Pflanze ziemlich deprimierend sein muss. Schließlich sind Pflanzen sensible Wesen. Wenn man an sie denkt, spüren sie es, habe ich zumindest mal gehört. Auch das Reden mit ihnen bekommt ihnen gut, obwohl ich bei noch keiner Pflanze Ohren gesehen habe. Augen auch nicht, aber ich glaube schon, dass sie etwas sehen können, daher darf sie heute mit mir Tatort gucken.

 Der Kaktus steht auf der Heizung und rührt sich nicht, der ist aber auch genügsam. Den kann ich ruhig mal ein paar Wochen vergessen, ohne dass er Schaden nimmt. 

Ich halte nichts von Balkonblumen, von Schnittblumen noch viel weniger. Einen Blumenstrauß bringt man aus Anstand oder Verlegenheit mit, oder um etwas gut zu machen. Der Freundin vielleicht aus Liebe, aber Schnittblumen sind mir zu vergänglich. Balkonblumen leben auch nur einen Sommer. Meine Topfpflanzen sind aber, im besten Fall, sehr langlebig, wenn sie von robuster Natur sind. Meine Blumen bekommen Namen, der Kaktus ist einfach nur Kakki der Kaktus. Ob Peter eine Primel ist, weiß ich nicht, es ist mir auch egal, weil sie für mich einfach eine schöne Primel ist und fertig. Die Nachrichten sind vorbei, jetzt haben wir uns darüber informiert, was auf der Welt passiert ist und nun kommt der Tatort. Ich hoffe, der ist nicht zu brutal, oder zu spannend für das zarte Wesen, welches in seinem bisherigen Leben nur die weiße Wand und mein Wohnzimmer gesehen hat. Da ist dann so ein Mord schon eine traumatisierende Sache, auch wenn er nur von Schauspielern im Fernsehen gezeigt wird, aber machen Sie das mal so einer kleinen Pflanze klar. Peter steht neben meiner Kaffeetasse und wirkt ziemlich unbeteiligt. Gut, überlege ich mir, sind ja nur Menschen, die da umgebracht werden, wenn da jetzt ein Baum gefällt würde, oder ein Rosenbeet zertrampelt wäre, würde sie vielleicht schon etwas verstörter aussehen. Ich meine, wir als Menschen denken auch nicht an unsere eigene Sterblichkeit, wenn wir einen vertrockneten Blumenstrauß in die Mülltüte drücken.

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