Pat Boone: Love Letters In The Sand 1/1

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Vor kurzem fand ich beim Durchstöbern meines Altpapiers auch eine Mappe mit der gesammelten Post meiner damaligen Brieffreundin. Sie hieß Simone, war Mitglied einer lokalen Trachtengruppe und schrieb mir Sachen wie "gestern habe ich mich beim Überqueren einer glatten Straße langgelegt. War irgendwie stark". Unser inniges Verhältnis zueinander war geprägt von tiefem Vertrauen und Aufrichtigkeit, garniert mit einer Herzenswärme, wie man sie sonst nur unter Ehepaaren findet. "Mein lieber Tom, dein letzter Brief ließ gar nicht erst das Gefühl aufkommen, daß du mich verarschst." Ich frage mich heute, wie ich es geschafft habe, diese Frau zwanzig Jahre lang zu vergessen. Zumal ich beim Durchblättern der alten Briefe feststellen mußte, daß Simone zweifelsohne eine ganz außergewöhnliche Frau war. Sie schätzte Kino ("heute bin ich in "Eis am Stiel" gegangen. Ich fand den Film tierisch") ebenso wie Fernsehen ("Gruß an alle Frank Elstner-Fans!"), konnte aber auch den ruhigeren Momenten des Lebens etwas abgewinnen ("wenn es still ist, höre ich manchmal den Kalk rieseln"). Trotz ihrer vielschichtigen Interessen ("wenn ich schlanker wäre, würde ich durch fremde Betten toben") hatte sie bereits in jungen Jahren konkrete Vorstellungen vom Leben ("es klingt bestimmt schrecklich, aber mir ist nach einem Kind. Ich würde wahrscheinlich eine gute, allein erziehende Mutter abgeben"), die sie ohne kriminelle Energie ("Mordabsichten hege ich Moment überhaupt nicht") zielstrebig verfolgte. Zwar mangelte es ihr an Ironie ("Hallo, schöner Mann aus Duisburg") und an einer sauberen Handschrift ("Mein Vater wurde kastriert"), was sie jedoch mit Fachwissen ("Hut ab vor Tina Turner!") wieder wettmachte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich ihr geistig irgendwann nicht mehr gewachsen war. Glücklicherweise ließ dann mein letzter Brief gar nicht erst das Gefühl aufkommen, daß ich sie verarsche, denn sonst hätte ich mich nie wieder im Spiegel betrachten können. Im Nachhinein betrachtet kann ich nur staunen, wie sich im Laufe unserer Brieffreundschaft unverbindliche Floskeln ("wenn du Zeit und Lust hast, komm doch mal vorbei, wenn´s geht, ohne Harem") in zarte Poesie verwandelt hat ("na, du Kohlenpottpenner!") und dabei stets charmant ("Besoffene liegen mir nicht so, aber du bist natürlich eine Ausnahme") und mittfühlend ("bist du eigentlich smoggeschädigt? Aber ich glaube kaum, daß Schäden bei dir noch auffallen") blieb. Leider ließen ihre Briefe bei mir erst gar nicht das Gefühl aufkommen, daß sie mich verarscht - im Gegenteil: Simone war stets ein solider Ratgeber ("und ess nicht, soviel, um deine Wespentaille für die höherschlagenden Frauenherzen instand zu halten"), Kenner der Materie ("Kaufst du deine Platten immer im Kilo?") und Freund des Hauses ("Ich finde, männliche Männer haben meist Muskeln, brauchen ja nicht viel zu sein"). Leider lernt man coole Leute oft erst zu schätzen, wenn man den Kontakt wegen Uncoolheit abgebrochen hat. Liebe Teilnehmer des 1975er Blockflöten-Workshops Duisburg-Süd - ich vermisse Euch!.

Mehr vom Tom Tonk gibt es auf hier OpenPunk oder auf seiner Seite: http://www.rockraketetonk.de