Philosophie des DeutschPunks 2/6

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Philosophie des DeutschPunks

Laut Rotten war einer der Hauptgründe für das Punk-Phänomen der 1970er der Protest gegen das Klassensystem und die Chancenungleichheit, die die Jugendlichen der Punk-Szene dazu motivierte, über Klassengrenzen hinweg füreinander einzustehen – gegen die Welt der Erwachsenen9

14Äußere Erscheinung Das zu Punk gewordene Klischee des typischen Punks, welches vor allem im Deutschpunk vorherrscht, bildeten sich erst zu Beginn der 1980er Jahre heraus so etablierte sich in diesen Jahren der „Mohawk“, der bekannte Irokesenschnitt der Punks Es wurden Lederjacken mit zahllosen Nieten und Ketten getragen, bemalt mit provokanten und politischen Sprüchen oder Bandnamen und -logos Zu dieser Zeit entstand auch das Phänomen der „Nietenkaiser“: Punks mit schweren Motorradlederjacken, die praktisch komplett mit Nieten besetzt waren Dieses Outfit erfüllt lustigerweise bis heute immer noch seinen ursprünglichen Zweck: die Abgrenzung gegenüber dem Bürgerlichen und die Provokation desselben (Zumindest in „Bayern-Württemberg“ und anderen stark konservativen Staaten, vgl nachfolgendes auch die Fussnote 11) 15Die Punk-Bewegung in Deutschland und der DDR Die Entwicklung der Punk-Szene in Deutschland von ihrer frühen Form in den späten 1970er Jahren bis zu der lebendigen und vielseitigen Subkultur im Jahr 2015, die von vielen Akteur als weltweit eine der größten und aktivsten beschrieben wird, ist besonders spannend Als Punk als Subkultur entstand, war Deutschland ein geteiltes Land und im Gegensatz zu den USA war die gesellschaftliche Grundstimmung noch sehr konservativ geprägt und wenig offen für alle „andersartigen“ Lebensstile Die gesellschaftlichen Umstrukturierungen vor allem in den Denkweisen, die die 68er Bewegung auf den Weg gebracht hatte, reichten noch nicht aus, um etwas so provozierendes und bewusst ablehnendes wie das Punk-Phänomen zu tolerieren oder zu akzeptieren Allerdings hat sich politisch und gesellschaftlich seitdem in Deutschland viel verändert Der Journalist Helge Timmerberg schreibt in diesem Zusammenhang von einem „ Deutschland, das nicht zu ertragen war … Damals war Deutschland das langweiligste und intoleranteste Land überhaupt, heute ist es das glatte Gegenteil“10 Spätestens seit der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 sah sich auch die PunkBewegung mit einem zunehmenden Wandel konfrontiert, denn die bewegte Geschichte der ehemaligen DDR-Punks verlieh der deutschen Punk-Szene zusätzlichen Aufwind und in den 1990er Jahren erstarkte die deutsche Szene einmal mehr

Denn trotz der Abschottung gegenüber allem Neuen aus dem Westen seitens der DDR bildete sich auch bzw gerade11 unter diesen extremen Bedingungen schnell eine Punk-Szene in der DDR, die, wie in den meisten anderen Ländern auch, in erster Linie auf die Musik konzentriert war

Die Redakteure der DDR-Musikzeitschrift Melodie und Rhythmus „ stempelten Punk kurzerhand als faschistische Jugendkultur des Westens ab“12 Repressalien seitens der Staatssicherheit gegenüber denjenigen Jugendlichen, die ihr Interesse an Punk öffentlich zur Schau stellten, waren vorprogrammiert, denn: „Wohl nirgendwo auf der Welt wurden die Punks in einem Ausmaß zum Thema staatlicher Politik wie in der DDR … Das Bemühen, einen eigenen Stil zu kreieren … zog massive Reaktionen des Staates auf sich“13 Die ersten ostdeutschen Punkbands Müllstation, L`Attentat, Schleimkeim, Paranoia oder Charlie Kaputt, gründeten sich und konnten schon bald eine kleine Schar Anhänger vorweisen Durch die Unterdrückung des Staates und die Ablehnung durch die Gesellschaft entwickelten die DDR-Punks schnell eine rebellische Attitüde, so schreibt ein ehemaliger Punk aus der DDR: „Die Ideologie für den Punk ist für mich erst entstanden und wichtig geworden, als ich erlebt habe, wie das ist von den sogenannten Bürgern der DDR beleidigt und von der Polizei gejagt zu werden“14

Ebenso waren auch die Texte der Bands eindeutig geprägt von einer düsteren Grundstimmung und Kritik am unterdrückerischem System, in dem die Musiker lebten: „Ich wohne dort wo die Schizophrenie regiert Dort wo Dich jeder Spießer anstiert Dort wo man Mauern baut Sich keiner was zu sagen traut Ich wohne dort wo die Panzer stehn Dort wo man sagt das Leben ist schön Dort wo bald kein Vogel mehr singt Wo das Wasser nach Abfall stinkt Wo du Dein Leben wie im Knast verbringst Und mit den Bullen um ein bißchen Freiheit ringst Wo das Blauhemd dominiert Und die Jugend straff marschiert Ich wohne in einem Friedensstaat Abfahrt, Abfahrt, das ist zu hart „15

Lediglich zwei Bands, nämlich Schleimkeim aus Erfurt (1983) und L`Attentat aus Leipzig (1987) schafften es, Aufnahmen aus der DDR heraus zu schmuggeln, und 

auf Plattenlabels aus dem Westen LPs zu veröffentlichen Im Falle von Schleimkeim unter in Saukerle verändertem Namen, um eine Wiedererkennung durch das SED-Regime zu vermeiden In den 1980er Jahren und bis zum Fall der Berliner Mauer bzw dem Niedergang des DDR-Regimes sah sich die Punk-Szene in Ostdeutschland zunehmend der Bespitzelung, Überwachung und Unterdrückung durch die staatlichen Kontrollorgane ausgesetzt 16Punk und Politik Die Punkbewegung hat auch seit Anbeginn den Beinamen "No Future Generation" Doch obwohl dieser Begriff frei definiert bedeutet, dass Punks keine Zukunft und keine Ziele haben, haben sie Ziele Aus den meist kritischen Inhalt der Musiktexte der Punkbands, die sich zumeist auf Gesellschaft, Politik und Zeitgeschehen bezieht, kann man diese Ziele ablesen Den meisten Bands ging es zwar um eine kritische Haltung gegenüber dem Establishment, aber eine konkrete politisch motivierte Haltung war jedoch selten Erst Anfang der 80er Jahre wurde ein Teil der Punkszene bekennend politisch Fusionen mit der linken Antifa-Szene, wie etwa Hausbesetzern oder Autonomen, wurden gerade in England aufgrund der konservativen Politik Margaret Thatchers und in Deutschland durch die damalige Aktualität der RAF-Aktivitäten bestärkt Büsser schreibt dazu „Alles galt dem Gestus einer Radikalisierung () gegen Bullen, Staat und Justiz Ästhetisch vollzog sich damit auch eine Abwendung von der Öko- und Friedensbewegung, obwohl sowohl Ökos wie auch Punks in Wackersdorf und an der Startbahn West nebeneinander standen ()“ 16 Von der Abneigung gegenüber den oben genannten Institutionen zeugt auch der Text des Liedes „Nazis Raus“ der Gruppe Slime: „() wir brauchen keine Wehrmacht Wir brauchen keine Bullen Politik ist Scheiße, wir lassen uns nicht einlullen“ (Slime 1989)

Viele Punkbands repräsentieren gewisse linke oder auch autonome Konsenswerte Die britischen Bands wie Crass, Conflict, die baskischen Negu Gorriak3 oder die deutsche Band Slime ziehen neben Musikliebhabern auch eine große Anzahl politischer Aktivisten an, die sich im Umfeld der Subkultur aufhalten, genau wie Anhänger der Punkszene oftmals an politischen Aktionen teilnehmen Bescheidener zeigte sich zunächst die politische Tragweite des amerikanischen Punk Eine der bekannteren ‘politischen’ Bands waren die Dead Kennedysdie immer wieder das politisch-kapitalistische System kritisierten

In Deutschland gibt entstand, kurz nach Aufkommen des Deutschpunks, im Jahre 1984 eine eigene Punkpartei: „Die Anarchistische Pogo-Partei Deutschlands (Kurzbezeichnung: APPD) ist eine deutsche Partei, die sich selbst als „pogo-anarchistisch“ bezeichnet“17 auf welche noch in den nachfolgenden Kapiteln kurz eingegangen wird


2 Einleitung Punk ist keine Religion Punk ist für sein Leben klarzustehen Punk ist keine Religion Punk ist seinen eignen Weg zu gehn Man sagt, wir sollen leben nach eurer Sitte und Moral und wer ein bischen anders ist den verflucht ihr tausendmal manchmal fühle ich mich gegen euch wie Don Quichote Ach, lasst mich doch in Ruhe ich scheiss auf euch und euren Gott18

Seit den Anfängen des Punks Mitte der Siebziger versucht vor allem immer wieder die Medien- und Modeindustrie, neben anderen Konzerne, von dessen einzigartiger „Ausstrahlung“/Philosophie zu profitieren Als Beispiele dienen da ua: Honda warb 2008 mit dem Motto: VERNUNFT IST DER NEUE PUNKde"19 Werbespot von LBS: „Wenn ich groß bin, will ich auch mal Spießer werden“20 Die YuppiZeitschrift „BusinessPunk“21 Mode: Vintage, used Look, Ramones T-Shirt bei H&M, „DeutschlandIros“ bei der FussballWM Stars die immer wieder mal gerne Iros tragen: Pink, David Beckham, in vielen Filmen, Bsp: A-Team: Mr T Wortschöpfungen wie SteamPunk Theater: Häuptling Abendwind und Die Kassierer: Eine Punk-Operette22 … Der Begriff „Punk“ wird auch heute noch mit Wildheit und Rebellion verbunden, mit Individualität und Anderssein assoziiert, ist jedoch längst nicht mehr so negativ belegt wie noch bspw in den 1980er und 90er Jahren

Trotzdem sehen Gruppen wie Nazis, Polizei und das „Spießbürgertum“ in den anarchistischen und unpolitischen Punks (Politik, Politik führt doch immer nur zum Krieg23) immer wieder den „Untergang des Abendlandes“, die verboten gehören In der auch als Beamtenstadt bekannten Stadt Karlsruhe24 ging man 2002 sogar so weit die Punks komplett zu verbieten25 Trotz der offensichtlichen Rechtswidrigkeit musste dagegen über 1 Jahr geklagt werden und selbst bei seinem Abschied verteidigte der Leiter von Bürgerservice und Sicherheit, Dieter Behnle die Maßnahme Nachfolgende ein kurzer Auszug aus dem Verbotstext:

„Gemeinsames Ziel von Angehörigen der Punkszene ist ua eine zeitlich und inhaltlich koordinierte Provokation der Gesellschaft Die Angehörigen der Punkszene verstehen sich als Subkultur unserer Gesell- schaft Dies bringen sie durch ihr äußeres Erscheinungsbild wie auffällige Kleidung, besetzt mit einer Vielzahl von Symbolen, Aufschriften und Nieten und typi- schen farbigen Punkfrisuren zum Ausdruck Bürgerliche Konventionen und Umgangsformen sowie Moral- und Ethikbe griffe lehnen sie ab Natürliche Pietät und Schamempfinden werden bewusst verletzt Inhalt und Absicht des gesamten Auftretens und Verhaltens ist das Bemühen, Mitbürger zu provozieren und das tägliche Leben zu beeinträchtigen, dabei soll gleichzeitig das von ihrem Freiheitsbegriff geprägte Leben zum Ausdruck kommen“

In anderen Städten bzw der DDR wurden die Punks mit Hilfe der Polizei auch vertrieben, drangsaliert, verhaftet und vor allem in der DDR auch länger eingesperrt, aber dies geschah unter dem Deckmantel der herrschenden Gesetzte ohne das eine eigene Verfügung erlassen wurde

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